Allein unter Schafen hinterm Deich. So war das für Wochen. Auf dem Balkon sitzend, hörte ich sie. Beim täglichen Spaziergang auf dem Deich sah ich sie. Kam ich ihnen zu nah, flüchteten sie. Schafe machen es einem einfach, einfach Abstand zu halten. 1,5 Meter scheinen ihr Wohlfühlbereich zu sein. Inzwischen sind die Schafe weitergezogen und ich teile mir den Deich wieder mit Menschen, die am Wattenmeer die Ruhe, Weite und Unbeschwertheit suchen. Vor allem jetzt, nach dem Lockdown. Das ist ungewohnt. Manchmal unterhaltsam. Oft nervend. Genauso häufig ist es wahnsinnig anrührend.
Da stürmt ein kleiner Junge am Abend den Deichweg hinauf, um zu schauen, ob schon das Wasser da ist, denn das will die gesamte Familie noch zusammen erleben. Seine blauen Augen leuchten. Er lacht und freut sich, dass es bald soweit ist. Schwingt sich auf sein Rad und düst los, sie zu holen. Für manche ist es unvorstellbar, dass das Wasser weg ist, obwohl es gestern doch noch da war. Immer wieder sind die Gesprächsfetzen zu hören, welche Inseln das wohl seien, die sich gegenüber vom Norddeicher Strand zeigen. Hunde toben durchs Wasser, Sandburgen entstehen, Kitesurfer sind unterwegs, Strandzelte werden aufgebaut, Strandkörbe desinfiziert. Neben den üblichen Anstandsregeln gibt es neue, die nur allzu leicht in der Ferienstimmung vergessen werden. Corona scheint so fern. Mund-Nasen-Masken gehen verloren und bleiben am Deich liegen. Wie so manches andere, das dann vom Wind mitgenommen wird.
Die letzten Monate waren ein Hin und Her vom einem Extrem ins andere. Jetzt ist Sommer. Mohnblumen leuchten rot, die rosa Blüten der Kartoffel-Rosen duften, Cafés haben wieder auf. Schafe sind in Norddeich nicht mehr. Doch der Deich ist lang. Sie sind noch da, nur weiter weg. Die Lämmer, ordentlich gewachsen, hüpfen nur noch selten verspielt herum. Ein neuer Lebensabschnitt hat begonnen.
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