Plötzlich waren sie da. Im Kleiderschrank. Am Badezimmerspiegel. Zwei kleine Aufkleber mit dem Schriftzug Danksekunde.de. Tom hatte sie angebracht, es sei eine Aktion der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau gewesen. Danke sagen, sich bewusst werden und sein, wie dankbar wir für unser Leben sein können. Dem Schönen, das uns täglich begegnet, mehr Raum geben, als all dem Unschönen, dem wir viel zu oft mehr Platz überlassen. Dabei geht es um Konditionierung. Und die lässt sich lernen, heißt es.
Schwimmend den Tag beginnen. Im Freibad, See oder Meer. Hauptsache Wasser. Aufs Rad, wenige Meter fahren, Badekappe auf, Schwimmbrille an und los gehts. Ohne Wasser um mich herum, werde ich unleidlich. Jetzt lebe ich an einem Meer, das nicht immer da ist. Es ist ähnlich wie mit Öffnungszeiten. Nur am Wattenmeer folgen diese eigenen Gesetzen. An der Küste wurden daher in fast allen Orten Freibäder gebaut. Nur das in Norddeich ist seit Jahren geschlossen. Und auch in vielen anderen Badeorten heißt es in diesem Jahr warten, bis die Flut kommt - und auf die ist immerhin Verlass.
Allein unter Schafen hinterm Deich. So war das für Wochen. Auf dem Balkon sitzend, hörte ich sie. Beim täglichen Spaziergang auf dem Deich sah ich sie. Kam ich ihnen zu nah, flüchteten sie. Schafe machen es einem einfach, einfach Abstand zu halten. 1,5 Meter scheinen ihr Wohlfühlbereich zu sein. Inzwischen sind die Schafe weitergezogen und ich teile mir den Deich wieder mit Menschen, die am Wattenmeer die Ruhe, Weite und Unbeschwertheit suchen. Vor allem jetzt, nach dem Lockdown. Das ist ungewohnt. Manchmal unterhaltsam. Oft nervend. Genauso häufig ist es wahnsinnig anrührend.
Wir haben Ferien und Zeit. Etwa fürs Ausmisten, wie so viele seit den Ausgangssperren. Wir finden eine kleine Broschüre von 1997. Da gab es noch die D-Mark. Ausgehtipps für Frankfurt, Stadtplan inklusive. Empfohlen wird die Gaststätte Mutter Ernst in Sachsenhausen. Das ist erwähnenswert, da wir erst neulich über das Lokal gesprochen hatten. Nach dem Telefonat mit einem ehemaligen Arbeitskollegen von Tom, das damit endete: Bei seinem nächsten Besuch im Rhein-Main-Gebiet, könne man doch mal wieder zusammen zu Mutter Ernst gehen… Doch Mutter Ernst gibt es nicht mehr, klärt der Kollege Tom auf. Aber erst seit kurzem. Nach 81 Jahren mussten sie schließen. Nicht wegen der Coronakrise, nicht aus Altersgründen oder weil es schlecht lief. Sondern, weil es ein Investor so will.
400 Bücher hat sie gezählt. In ihrer kleinen Stadtwohnung mit Balkon. Schals, Einkaufsnetze und Socken strickt sie. Kümmert sich um ihre Pflanzen. Wenn sie mit der Hausordnung dran ist, wischt sie das Treppenhaus. Nimmt Pakete an. Kocht. Lebensmittel bringen Nachbarn mit, bei der Tankstelle um die Ecke kann sie bestellen und geht morgens in aller Frühe hin um niemanden zu begegnen. Ansteckungsgefahr. Sie passt auf sich auf. Meine Oma. 91 Jahre, Jahrgang 1928.
Es tobt ein Sturm, vor dem schon seit einigen Tagen gewarnt wird. In der Wohnküche rattert und knackt, rauscht und pfeift es im Lüftungsrohr der Dunstabzugshaube. Der Regen klatscht an die Fenster. Es ist düster, obwohl Vollmond ist. Windstärke acht, neun, aus Südwest kommend. Das eigentliche Problem sind die Orkanböen – zwischen 100 und 130 Stundenkilometern sollen es sein. Der Schiffsverkehr zu den Inseln wurde eingestellt. Der erste Sturm in diesem Jahr. Der erste, seit wir hier leben. Hinterm Deich. Achtern Diek, wie es auf Plattdeutsch heißt.
Dass Asta Nielsen und ich etwas gemeinsam haben könnten, daran hätte ich nie gedacht. Die dänische Stummfilmdiva hatte ein Haus auf Hiddensee. Das "Karusel", das runde Haus in Vitte, gebaut von Max Taut. Im Juni 1929 bekommt sie Besuch von Joachim Ringelnatz und seiner Frau. Weder Haus noch prominenten Besuch gibt es für mich auf Hiddensee. Aber ein Gartengefühl, das ich mit ihr teile.
Weiße Kleckse auf Grün. Das ist Neuendorf. Wiese, weiße Häuser, Wege, wenn gemäht. Keine Ablenkung durch architektonische Spielereien. Eine Straße für den Inselbus zum Hafen. Trampelpfade hier und da, genauso wie Restaurants und Cafés. Fahrräder können geliehen werden, Ferienunterkünfte gemietet. Die Freiluftgalerie auf dem Weg zur Einkaufsquelle. Seinen Roman "Kleiner Mann - was nun?" beendete Hans Fallada im Dorf, das unter Denkmalschutz steht. Bolzplatz hinterm Hafen, weidende Pferde zwischen den Häusern, kleiner Leuchtturm am Strand und dann ganz im Süden das Naturschutzgebiet Gellen: Die Insel, noch nicht zu Ende, aber für Menschen ab nun Tabu.
Es dauert ein wenig bis ich merke, dass ich wahrscheinlich allein am Strand bin. Es erschien mir nicht ungewöhnlich und doch ist es das. Jedenfalls vermute ich, dass ich allein bin, denn es nebelt ziemlich. Es ist kurz vor acht am Morgen. Die gestern noch samtig sanft ruhende Ostsee konkurriert heute ein wenig mit der Nordsee. Es ist Wellengang bei Windstille.
Sobald Menschen an Bord sind, hat das kleine Boot ein Problem: Es läuft voll. Das Loch im Heck ist dann unter Wasser, obwohl es dafür da ist, Wasser ablaufen zu lassen. Nur halt ohne Mitfahrer. Wer es weiß, fährt sogleich los und so flitzen wir über den Bodden; lassen die Inseln Öhe und Rügen hinter uns und steuern Hiddensee an. Reibungsloser könnte ein Umzug nicht ablaufen.
Man träumt so vor sich hin und auf einmal wird es Wirklichkeit: Es wird umgezogen. Ostsee und Ostfriesland werden wahr. Fängt zwar beides mit "O" an, ist aber so weit von einander entfernt wie das "A" vom "Z". Auf unser tiny living Konzept folgen jetzt zwei Wohnungen, von denen jede für sich wahrscheinlich doppelt so groß ist, wie derzeit unsere eine gemeinsame. Wahrscheinlich, denn noch gibt es nur die eine auf Hiddensee. Aber dorthin geht auch der erste Umzug.
2015 reist Isabel Cuesta nach Italien. Ohne Geld; ohne Job. Ihr Kontakt: Ein Theaterregisseur für Soziales Theater mit dem sie weiter an die Grenze nach Frankreich fährt. Sie, die Choreografin und Journalistin aus Kolumbien, die in Deutschland, England, Spanien gelebt hat, wollte die Situation der Flüchtlinge mit eigenen Augen sehen. "Wir haben alles vor Ort miterlebt", erinnert sich Isabel an die Tage, die sie im Auto geschlafen und mit Flüchtlingen und Fluchthelfern gesprochen hat. Ein Artikel entsteht nicht, aber das Tanzprojekt IMPRONTE.
Aufzuwachen, ein besonders Licht durch die Ritzen der Fensterläden wahrzunehmen und dann zu sehen was man sich gewünscht hat: Es hat geschneit! In diesem Monat einmal, an einem Sonntag, dem dritten Advent. Weihnachtsstimmung wie sie schöner nicht sein könnte. Nix wie raus an die Luft, in die Natur. Ein Spaziergang zum Demeter-Hof am Rande der Stadt. Einige Kühe ruhen im Stall, andere stehen im Schnee. Bei den Hühnern ist es nicht viel anders. Die weiße Pracht ist selten geworden. Manches hingegen häufiger. Oder sogar die Regel?
Heißer Sanddornsaft geht immer; an einem Sommerabend und an einem sonnigen Herbsttag. Windstill und so warm, dass Mütze, Schal und Handschuhe auf dem Holztisch landen, lässt es sich Anfang November auf Hiddensee immer noch im Freien sitzen. Das Glas mit der Vitaminbombe in den Händen, der Blick in die Ferne gerichtet und die Ruhe genießend - ankommen auf der Insel klappt doch ganz gut. Auch wenn es nur für wenige Stunden ist. Tagesausflug halt. Aber immerhin: Eine kleine Auszeit an der See.
So lebens- und liebenswert manche Ecken im urbanen Rhein-Main Gebiet auch sind, es ist schon ziemlich hektisch, laut und voll. Wenn mir dann zuweilen all der Lärm über den Kopf wächst, dann gibt es zum Glück einige Orte, die nicht weit weg sind und mich wieder durchatmen lassen. Einer dieser idyllischen Orte ist Nierstein - keine 30 Kilometer von Darmstadt entfernt; knuffig, malerisch und meine kleine Auszeit für alle Sinne und zu jeder Jahreszeit.
Wie das wohl wäre: Freie Fahrt für Fahrräder auf Autobahnen, die friedlich mit Spaziergängern geteilt werden. Klare Luft erfüllt von Stimmen, Fahrtwind, Vogelgezwitscher. Spielende Kinder und Tanzende auf den Straßen in den Städten. Willkommen in Utopia! Oder etwa doch nicht?
Der letzte Tag im Monat... Es war ein toller März! Es herrschte Aufbruchstimmung - bei mir und in der Natur. Irgendwie muss ich mich ja reduzieren und da sieben eine schöne Zahl ist, kommen hier nun sieben schöne März-Momente aus meinem Leben. :-)
Oder: Wenn Träume wahr werden! Das ginge als Überschrift auch. Oder: Im Flow sein! Im März habe ich nämlich etwas gemacht, was mir schon eine ganze Weile im Kopf herumschwirrte...
Wischiwaschi-Wetter. Windig. Drei Grad über Null. Aber: Alles ist bunt! Es ist doch immer wieder schön, wie die Blätter ihre Farbe ändern, Beeren auftauchen und die Wege voller Laub zur
Geräuschkulisse im Herbst werden. Daher ließ ich mich heute nicht unterkriegen und machte einen langen Spaziergang im Rausch der Farben. :-)
Es war mein Geburtstag und mein Geschenk als Bilder-Rätsel verpackt. Eine Idee, was es sein könnte? Die Auflösung war wunderbar...
Es ist ein richtig toller Sommertag. Statt mich ausschlafen zu lassen, strahlte die Sonne schon morgens um halb acht freundlich in mein Zimmer, bringt mich auf die Beine und in Ernte-Stimmung! Ich hatte mal gelesen, dass Kräuter in der Früh gepflückt werden sollten, da die ätherischen Öle dann noch reichhaltiger seien. Das habe ich heute gemacht und sogar mehr bekommen, als gedacht!
Die letzte Radtour des Jahres ist eigentlich gar keine. Doch es regnet Bindfäden und da fühlen sich auch die knapp 3 Kilomter bis zum Hofgut Oberfeld länger an, als sie sind, vor allem weil es inzwischen kälter geworden ist. Winter halt. Das schöne daran ist aber, dass ich das brasselnde Kaminfeuer im Café des Hofguts jetzt so richtig schätzen kann! Es ist urgemütlich in dem Räumchen. Ich glaube, früher waren hier die Tiere untergebracht, könnte aber auch sein, dass in ihm das Heu gelagert wurde. So genau weiß ich es nicht. Macht aber auch nix.
Die Adventszeit ohne Kerzen, Lichterketten, haufenweise Plätzchen und Maronen, die mühsam aus der Schale gepellt werden müssen, ohne Weihnachtsmärkte, Adventskalender und Weihnachtslieder, ohne geputzte Stiefel zu Nikolaus... puh, die Aufzählung könnte fast unendlich sein – jedenfalls: Ohne all diese liebgewonnen Rituale sind diese vier Wochen nicht die, die sie sein sollten. Sie gehören zur Weihnachtszeit wie der Schokohase zu Ostern.